Archiv des Autors: gothbert

Sauberkeitserziehung

Vor einigen Wochen saß ich mit zwei lieben Menschen vor einem Restaurant in der …straße.

Während wir uns unterhielten und auf das Essen warteten, kam auf der anderen Straßenseite eine Capuccinomutti auf dem Rad mit ihrem kleinen Kind im Anhänger an. Sie half dem Kind aus dem Anhänger und setze es auf den Boden. Der Boden war sauber – dies ist eine saubere Stadt – und so konnte das Kind dort herumkrabbeln und spielen. Dann warf die Mutti in völliger Ignoranz der Sitte eine Menge Unrat und Schnipsel aufs Trottoir statt in den eine Armeslänge entfernten Abfalleimer, den die Stadt doch so vorausschauend für eben diesen Fall dort am Pfahl hat anbringen lassen.

Da erboste sich einer der lieben Menschen ob dieser Flegelhaftigkeit und was die Mutter doch ein schlechtes Vorbild sei. Ich aber sagte: es komme ein Mann in schwarzer Uniform mit kantigen Zügen, und er schlage der Frau mit flacher Hand ins Gesicht.

Heute weiß ich, dass das nicht recht wahr. Es komme ein Mann in schwarzer Uniform mit kantigen Zügen, und er schlage der Frau mit flacher Hand ins Gesicht, und er zwinge die Frau jedes Fitzelchen aufzulesen und in den Abfalleimer zu werfen.

In Singapur wäre sie hingerichtet worden für so was. Männer in schwarzer Uniform haben Tradition in dieser Stadt.

Septemberende

Die Pampa. Verdauungsspaziergang. Die Sonne scheint unerbittlich auf uns herab. Auf die Steine. Auf die letzten Schnaken des Sommers. Ein abgeerntetes Maisfeld am Rande der Straße. Staub wirbelt auf. In der Ferne. Ein Kleinwagen nähert sich, weiß, rostig, knatternd. Ein Insasse nur, der Fahrer. Wir erkennen sein dunkles Haar. Wir halten den Wagen an, bringen den Fahrer zum Aussteigen. Sein Gesicht zeigt Überraschung. Die von Inzucht gezeichnete Landbevölkerung. Stille. Wir nehmen ihm sein Geld ab. Alles. Restlos. Stille. Gespanntes Warten. Ungläubiges Gesicht. Wir schießen ihm in den Kopf. Warum? Das ist die Pampa.

Ct. de Bug „Rabea und die Roboter“

„Rabea und die Roboter“ von Ct. de Bug ist ein Entwicklungsroman, der sich wohltuend vom dem Einheitsbrei der Ponyhof-Romantik, Zauberer-Bücher und Jungs-und-Mädchenbanden-Geschichten für die Leserschaft der 12- bis 14-jährigen abhebt. In dreizehn lose zusammen hängenden Episoden beschreibt der Roman die Entwicklung der Teenagerin Rabea vom Beginn der Pubertät bis zur jungen Frau. Das Besondere an dem Buch: der Stil und die Komplexität der Geschichten entwickeln sich mit Rabea. Sind die ersten Geschichten noch von einer gewissen Schlichtheit und gut für 12-jährige geeignet, so werden die Episoden von Mal zu Mal vielschichtiger. Rabea begegnet auf ihrem Weg zum Erwachsenwerden immer komplexeren Persönlichkeiten in immer verwickelteren Geschichten. De Bug eifert dabei auch hinsichtlich des viktorianischen Erziehungsideals seinem erklärten Vorbild „The Diamond Age“ von Stephenson nach, ohne dies jedoch, auch mit Blick auf die junge Leserschaft, wirklich erreichen zu können. Hierbei knüpft der Autor an die Vermittlung der klassischen Tugenden an und lehrt unterhaltsam, ohne zu belehren.

Die Rahmenhandlung ist rasch erklärt: sie spielt in einer Sternenregion am Rande unserer Galaxis in einer fernen Zukunft. Vor zwei Jahren tötete eine Epidemie fast alle Erwachsenen. Bis auf ganz wenige Alte blieben nur die Kinder zurück. Die zwölfjährige Rabea erhielt von ihren Eltern, einem Paar hoch dekorierter Diplomaten, vor deren Tod ein Raumschiff namens Aristoteles, einen überlebensgroßen Kampfroboter namens Nike, und den Rat, sich auf die Suche nach dem Heimatplaneten der Menschheit zu machen. Das Raumschiff ist dem Mädchen fortan Zuhause und Lehrer, und der Roboter bietet Schutz. Gerät Rabea in einer der Episoden einmal in zu große Gefahr, ist Nike der Deus Ex Machina, der Rabea immer wieder vor dem Wagnissen und Wirnissen einer von Robotern bewirtschafteten und von Kindern und Jugendlichen bewohnten Welt bewahrt.

Um es vorweg zu nehmen: am Ende findet die 19-jährige Rabea weder den Heimatplaneten noch die große Liebe. Ein Buch mit vielen offenen Enden. Charaktere werden in den Episoden entwickelt, um dann auf immer zu verschwinden oder in späteren Episoden in kleinen Nebenrollen wieder aufzutauchen. Ein Buch, das auch zum weglegen verleitet. Um es dann ein oder zwei Jahre später wieder in die Hand zu nehmen, wenn die junge Leserin oder der junge Leser die Reife für die nächste Episode erreicht hat. So wird Rabea erwachsen in einer Welt, in der es keine Erwachsenen mehr gibt. Und die Leserinnen und Leser mit ihr. Ein interessantes Experiment, auch vom literarischen Standpunkt.