Archiv des Autors: kubelick

Dienstag, 12. Juli 2016

Sabiosexualität/Sapiosexualität

Gefunden in der Wochenendausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 30./31. Januar 2016

Im Artikel über Modetrends, wird eine Zielgruppe beschrieben, die – offenbar – unter  „Suhrkamp-Tourette“ leide. Ferner haldelt der Artikel von der Werbekampagne der Firma Brioni, die bona fide Intellektuelle in ihre Anzüge gesteckt hat.

Doch ein wahrer Gentleman lässt sich ausschließlich in der Saville Row die Anzüge maßschneidern: Brioni – nach Meinung dieser Zielgruppe – ist was für Nouveau riche-Russen. (Gesichtet: Brioni Store in Kyiv – QED).

Brioni Kyiv

Der Wert der Sprache

Erste Woche August, 2015
Thema der Woche der Süddeutschen Zeitung: Rechtschreibreform
Die Grafikabteilung mühte sich an einer Brachialvisualisierung ab, um den komischen Aspekt des Themas bildhaft zu machen: Sprachbläschen eines gängigen Nachrichten-Apps sollten die sinnentleerten Vorschläge der unausgereiften Autokorrekturprogramme mit Humor begegnen, wo längst die Dadakomödie der autokorrigierten Nachrichten zu einer unerträglich tragisch-grotestken Farce, über die absurde Mühsal mit einem Scheißtelefon über Worte rumdiskutieren zu müssen, mutierte.

Und mehr…

Der Kampf mit dem Autokorrekturwerkzeug nimmt Zeit in Anspruch, die es des Werkzeugs Aufgabe ist zu sparen. Und leider ist es unmöglich, die Autokorrektur zu feuern, wie eine schlechte Sekretärin – »Tut mir leid, wir müssen Sie leider gehenlassen…«.

Das zum Layout.

Unten links druckte die SZ ein überschauberes Interview mit Kathrin Kunkel-Razum ab, das von der Duden-Hotline berichtet. Das ist schön. Bisher war es uns unbekannt, dass Duden ein Callcenter hat. Wir freuen uns.

Aber was ließt man weiter: 1,99 Euro pro Minute (wahrscheinlich auch noch »angefangene Minute«).  Stellt sich sofort die Frage: Darf die Sprachpflege etwas Kosten, also Luxus sein? Und wenn ja, wie viel? Unsereiner kann sich einen knappen Gespräch über ein Wort nicht Vorstellen. Und schon ist die Telefonrechnung ins Astronomische geschnellt. Das mit acht Mitarbeitern besetzte Callcenter deutet unmisverständlich auf den verschwindend geringen Traffic hin. Und wieso auch nicht? Inzwisichen wird gewischt statt gedacht, erahnt statt verstanden, fabriziert statt formuliert.

Spiel ist was heiteres

Zwei Entdeckungen
In München gibt es einen Samstag im Jahr,  an dem nicht etwa die Münchner sich mitten in der Nacht ins Museum schleppen oder wie Vieh in Omnibusen von der einen Musikveranstaltung zur nächsten durch die Stadt karren lassen. Nein!

Diese Veranstaltung ehrt die menschliche Würde. Ganz gentil kann der Teilnehmende durch die Stadt schlendern, schmökern, verweilen, im eigenen Tempo. Heuer im Regen. Durch die Innenstadt. Mit Gummilatschen.

Im Flagship Store der Büchergilde findet man stets Schönes, Wertvolles, Unwiderstehliches.
Am Samstag, dem 11. Juni, widerstand ich dem Konsumtrieb nur durch Verzehr von Weissen Mäusen, die, in einer gigantischen, am Eingang strategisch aufgestellten Schale,  den Besucher süsslich heranlockten.

Die Überspungshandlung mit den Mäusen half nur kurzzeitig. Im entzückenden Zuckerrausch wuchsen im gleichen Maße die Begehrlichkeit am Schönen und die Missbilligung des  Konsumismus. Denn auch vor der heimtückischen Selbsttäuschung – es handele sich ja um Bücher, nicht etwa um reduntantes Zeug, wie Schuhe,– muss der Bibliophile auf der Hut sein:
das Gedruckte und Gebundene schmeichelt eifrig dem Eigenbild vom intellektuellen Wesen,  und spottet hinterher mit staubigen, hüfthohen Stapeln des Ungelesenen.

Mit zähneknirschender Disziplin liess ich auch dieses  lehrreiche Kartenset im Laden liegen.

Mittwoch, 18. Mai 2016

Der Sieg des Naheliegenden

Die Funktion der Sprache ist – was?– sich zu verständigen, zu kommunizieren, um mit einem Fremdwort gleich vorneweg das Sprachniveau festzulegen. Dabei ist die  Schönheit – des Wortklangs oder -Bildes (mit Wortbild wird das pittoreske, wie bei Gänseblümchen, gemeint; als Gegenbeispiel – ein sowohl im Klang als auch im Bild weniger malerisches Wort – Drahtzieher)  irrelevant.

Der Plebs schert sich ein Dreck um die Ästhetik. Unumstößlicher Beleg hierfür sind die spastischen Neuschöpfungen in der Umgangssprache – kakophone Missbildungen, widerspenstige Zecken im zarten Fleisch der Sprachkultur. Vokuhila, um nur ein Beispiel zu nennen,  ist eher ein Torture Garden als ein Picturesque.

In einem Artikel der SZ, im regionalen Teil der Pfingstausgabe (2016) über Kioske und der Provinzialität Münchens, sticht ein eben solcher Wortdorn ins Auge, der in der kulturellen Ödnis der Bundeshauptstadt gedeiht:

Späti.

Nach so einer Sprachwucherung hilft auch keine „mäandernde Wellblechwände“ oder das
„Nullachtfuchzehneinerlei“. Hingerotz in einem Tetrapackweinrausch, klebt diese, diese Späti nun an der Umgangssprachbacke fest. Da hat die Bundesbahn noch mal Schwein gehabt.