Archiv der Kategorie: Gelesen und besprochen

# 17 – „Karte und Gebiet“ von Michel Houellebecq

Michel Houellebecq, Enfant terrible der Literaturszene, hat das Buch geschrieben, das niemand erwartet hätte. Karte und Gebiet ist ein großer Wurf: ein doppelbödiges, selbstironisches Vexierspiel, ein gewichtiger Roman, der zugleich wie schwerelos wirkt. Houellebecq erweist sich darin als begnadeter Erzähler, der alle Spekulationen ins Leere laufen lässt. Jed Martin ist Künstler. In seinen ersten Arbeiten stellt er Straßenkarten und Satellitenbilder gegenüber, zum Durchbruch verhelfen ihm jedoch Porträts. Einer der Porträtierten: „Michel Houellebecq, Schriftsteller“. Doch dann geschieht ein grausames Verbrechen: ein Doppelmord, verübt auf so bestialische Weise, dass selbst die hartgesottenen Einsatzkräfte schockiert sind. Die Kunst, das Geld, die Arbeit. Die Liebe, das Leben, der Tod: Davon handelt dieser altmeisterliche Roman, der auch hierzulande bereits als literarische Sensation gefeiert wird. Michel Houellebecqs neustes Werk ist ein vollendeter Geniestreich von überraschender Zartheit. Der einstige Agent provocateur erscheint darin gereift und auf so humorvolle Weise melancholisch wie nie.

Das Treffen in Bildern

Buchdiskussion 

# 16 – „Ein Kirschbaum im Winter“ von Yasunaria Kawabata

»Shingo lebt mit seiner Frau und seinem verheirateten Sohn zusammen. Da die Ehe seiner Tochter scheitert, kommt auch diese mit ihren beiden Kindern in das Elternhaus zurück. Die Zärtlichkeit und Aufmerksamkeit des Hausvaters gilt aber der jungen Schwiegertochter Kikuko, die unter der Untreue ihres Mannes zu leiden hat. Diese Geschehnisse umrahmen Shingos Welt, in der er einsam, in einer Traumwelt von Schönheit, Wehmut, Sehnsucht und Vergänglichkeit lebt. Es ist diese von Schönheit durchwirkte, vom Buddhismus geprägte Todessehnsucht, die dem Werk seine eigene dunkle Note verleiht.«

Das Treffen in Bildern

# 15 – „Andere Räume, andere Träume“ von Daniyal Mueenuddin

Eine Villa in der Hauptstadt, eine Farm auf dem Land – der betagte K. K. Harouni ist ein vermögendes und einflussreiches Mitglied der pakistanischen Landbesitzerklasse. Verständlich, dass seine Beziehung zu einer Frau, die gesellschaftlich weit unter ihm steht, bei seiner Familie auf wenig Begeisterung stößt. Nach Harounis Tod wird sie dorthin verstoßen, wo sie herkam: auf die Straße. Um den Clan dieses Patriarchen und seine Angestellten kreisen acht faszinierende Erzählungen: über Harounis Neffen, der sich in eine Amerikanerin verliebt; über Nawab, den Elektriker, unentbehrliche Arbeitskraft auf Harounis Besitztümern und immer auf der Suche nach neuen Einnahmequellen; über Saleema, die sich als Küchenhilfe durchschlägt, bis sie Harounis Diener Rafik begegnet und ihr Leben plötzlich ganz anders zu werden verspricht. Doch das Glück ist meist von kurzer Dauer in Mueenuddins Pakistan. Daniyal Mueenuddins Debüt war bereits vor seinem Erscheinen ein Ereignis und machte Furore mit Vorabdrucken im New Yorker und in Salman Rushdies Best American Short Stories. Mitreißend, tragisch, elegisch und humorvoll webt es die Lebensgeschichten von Menschen ineinander und öffnet den Blick auf eine Welt, die man so schnell nicht vergisst.

Das Organigramm

# 14 – „Die toten Seelen“ von Nicolai Gogol

Dieser berühmte russische Roman von 1842 über unmoralisches Gewinnstreben und Korruption ist von geradezu verblüffender Aktualität allenfalls die Methoden haben sich geändert: Bei Gogol reist ein wegen Bestechung entlassener Zolleinnehmer durch die Provinz, um den Gutsbesitzern verstorbene Leibeigene abzukaufen, weil diese in der Steuerbürokratie noch als Lebende gelten und ihm als fiktives Pfandobjekt bei Kreditinstituten Gewinn bringen sollen. Doch dabei werden die adeligen Verkäufer als die eigentlich seelisch und moralisch Toten entlarvt. Nikolaj Gogol (1809 – 1852), der russische Sprachvirtuose zwischen Romantik und Realismus und Vorbild Dostojewskijs, gilt als Meister der Groteske und Satire.

# 13 – „Lou Andreas-Salomé: Der bittere Funke Ich“ von Kerstin Decker

»Du gehst zu Frauen? Vergiss die Peitsche nicht!« ? für Nietzsches wohl bekanntesten Ausspruch ist Lou Andreas-Salomé mitverantwortlich. Der von ihr zurückgewiesene Philosoph rettete sich in Verachtung. Wer war diese Frau, die Rilkes frühe Dichtung in den Papierkorb beförderte, mit Nietzsche über Philosophie und mit Freud über Psychoanalyse diskutierte ? Von ihnen allen als ebenbürtig anerkannt? Kerstin Decker wirft einen neuen Blick auf Lou Andreas-Salomé, die wie wenige ihrer Zeit ein ganz und gar eigenständiges Leben führte.

# 12 – „Die Haustiere“ von Bragi Ólafssson

»Ein Mann im Anorak hat heute Mittag an meine Tür geklopft.« So beginnt Emil, wohnhaft in Reykjavík und soeben von einem Kurztrip nach London zurückgekehrt, die Geschichte über seine unheimliche Begegnung mit einem alten Bekannten. Oder besser: über eine Begegnung, die nicht stattfindet, weil Emil sich in seiner Wohnung versteckt, als Havardur, dem er unbedingt aus dem Weg gehen will, durchs Küchenfenster steigt, es sich gemütlich macht, Emils CDs auflegt, seine E-Mails liest, ans Telefon geht, dessen Freunde empfängt, kurz, sich benimmt, als wäre er in der fremden Wohnung zu Hause.

Während Emil unter dem Bett liegt und zum hilflosen Beobachter seines eigenen Lebens wird, erinnert er sich an einige Wochen fünf Jahre zuvor, als er und Havardur in London das Haus eines Freundes und dessen vier Haustiere gehütet hatten, von denen drei – das Meerschweinchen Moby, das Kaninchen Dick und der Leguan Ahab – auf tragische Weise starben, woran Havardur nicht unschuldig war. Schließlich entwendete Havardur, als Emil ihn rausschmiss, das Modell eines Walfangschiffes sowie eine wertvolle Erstausgabe von Herman Melvilles ›Moby Dick‹.

# 11 – „Kürzere Tage“ von Anna Katharina Hahn

Klappentext
Marco wohnt im Hochhaus an der Hauptstraße. Von hier ist es nicht weit bis zum Olgaeck, und hinter dem Olgaeck liegt die Constantinstraße, wo die Altbauten unter Denkmalschutz stehen und die Äpfel beim türkischen Feinkosthändler teurer sind als im Hauptbahnhof. Hier wohnen die Aufsteiger, Übermütter und ihre wohlerzogenen Kinder. Hier scheint alles in Ordnung – wenn man nicht vom Supermarkt ins Büro und vom Büro in den Kindergarten hetzt, so wie Leonie, wenn man nicht am Doppelleben als Karrierefrau und Mutter verzweifelt. Judith findet Halt in der Anthroposophie. Hingebungsvoll pflegt sie den Jahreszeitentisch für ihre Kleinen. Doch nachts helfen nur Tabletten gegen die Angst. Im Nebenhaus wohnen die alten Posselts. Sie haben geschafft, wovon die Enkelgeneration nur träumt, nämlich ein Leben lang zusammenzubleiben. Da versetzt Marco die Nachbarschaft in Aufruhr.  mehr

# 10 – „Die Nacht von Lissabon“ von Erich Maria Remarque

Kiepenheuer & Witsch:
„Portugal 1942 – letzter Fluchtpunkt im von den Nazis besetzten Europa. Im Hafen von Lissabon starrt ein Mann auf ein Schiff, das für ihn die Rettung sein könnte – doch er besitzt weder Geld noch Visa. Da bietet ihm ein Unbekannter zwei Schiffspassagen an, unter einer Bedingung: Er will ihm in dieser Nacht die Geschichte seines Lebens erzählen…“

# 09 – „Was vom Tage übrigblieb“ von Kazuo Ishiguro

Eine wunderschön-melancholische Liebesgeschichte.

Stevens dient als Butler auf Darlington Hall. Er sorgt für einen tadellosen Haushalt und ist die Verschwiegenheit in Person: Niemals würde er auch nur ein Wort über die merkwürdigen Vorgänge im Herrenhaus verlieren. Er stellt sein Leben voll und ganz in den Dienst seines Herrn. Auch die vorsichtigen Annäherungsversuche von Miss Kenton, der Haushälterin, weist er brüsk zurück. Die Jahre vergehen, Stevens lebt ergeben in seiner Welt, bis ihn eines Tages die Vergangenheit einholt. „Was vom Tage übrigblieb“ ist ein gesellschaftskritischer Roman, erzählt von jemandem, der sich eine solche Kritik nie erlauben würde, und eine wunderschöne, traurige Liebesgeschichte, erzählt von einem, der nie auch nur ahnte, dass er geliebt hat.

# 08 – „Paare: Ein Reigen in vier Novellen“ von Martha Gellhorn

Dörlemann Verlag:

„Vier Paare, vier Novellen, ein Versprechen: In guten wie in schlechten Tagen, In Reichtum und Armut, In Gesundheit und Krankheit, Bis der Tod uns scheide.

Martha Gellhorn lotet in vier ironisch eleganten, zutiefst berührenden Novellen Varianten von Paarbeziehungen aus. Eine junge Amerikanerin in Italien beobachtet an ihrem hochblütigen Prinzen späte Anzeichen von Selbständigkeit, die Gesellschaftslöwin treibt ihre lethargischen Männer zu immer neuen karrieristischen Höhenflügen, die ewig Kranke tyrannisiert Umwelt und Ehemann, und der rastlose Kriegsphotograph gibt auch im Tod das Geheimnis seiner großen Liebe nicht preis.“