Archiv der Kategorie: Magazin

Hier erscheint Vermischtes, Interessantes und Triviales.

Sauberkeitserziehung

Vor einigen Wochen saß ich mit zwei lieben Menschen vor einem Restaurant in der …straße.

Während wir uns unterhielten und auf das Essen warteten, kam auf der anderen Straßenseite eine Capuccinomutti auf dem Rad mit ihrem kleinen Kind im Anhänger an. Sie half dem Kind aus dem Anhänger und setze es auf den Boden. Der Boden war sauber – dies ist eine saubere Stadt – und so konnte das Kind dort herumkrabbeln und spielen. Dann warf die Mutti in völliger Ignoranz der Sitte eine Menge Unrat und Schnipsel aufs Trottoir statt in den eine Armeslänge entfernten Abfalleimer, den die Stadt doch so vorausschauend für eben diesen Fall dort am Pfahl hat anbringen lassen.

Da erboste sich einer der lieben Menschen ob dieser Flegelhaftigkeit und was die Mutter doch ein schlechtes Vorbild sei. Ich aber sagte: es komme ein Mann in schwarzer Uniform mit kantigen Zügen, und er schlage der Frau mit flacher Hand ins Gesicht.

Heute weiß ich, dass das nicht recht wahr. Es komme ein Mann in schwarzer Uniform mit kantigen Zügen, und er schlage der Frau mit flacher Hand ins Gesicht, und er zwinge die Frau jedes Fitzelchen aufzulesen und in den Abfalleimer zu werfen.

In Singapur wäre sie hingerichtet worden für so was. Männer in schwarzer Uniform haben Tradition in dieser Stadt.

Septemberende

Die Pampa. Verdauungsspaziergang. Die Sonne scheint unerbittlich auf uns herab. Auf die Steine. Auf die letzten Schnaken des Sommers. Ein abgeerntetes Maisfeld am Rande der Straße. Staub wirbelt auf. In der Ferne. Ein Kleinwagen nähert sich, weiß, rostig, knatternd. Ein Insasse nur, der Fahrer. Wir erkennen sein dunkles Haar. Wir halten den Wagen an, bringen den Fahrer zum Aussteigen. Sein Gesicht zeigt Überraschung. Die von Inzucht gezeichnete Landbevölkerung. Stille. Wir nehmen ihm sein Geld ab. Alles. Restlos. Stille. Gespanntes Warten. Ungläubiges Gesicht. Wir schießen ihm in den Kopf. Warum? Das ist die Pampa.

Spiel ist was heiteres

Zwei Entdeckungen
In München gibt es einen Samstag im Jahr,  an dem nicht etwa die Münchner sich mitten in der Nacht ins Museum schleppen oder wie Vieh in Omnibusen von der einen Musikveranstaltung zur nächsten durch die Stadt karren lassen. Nein!

Diese Veranstaltung ehrt die menschliche Würde. Ganz gentil kann der Teilnehmende durch die Stadt schlendern, schmökern, verweilen, im eigenen Tempo. Heuer im Regen. Durch die Innenstadt. Mit Gummilatschen.

Im Flagship Store der Büchergilde findet man stets Schönes, Wertvolles, Unwiderstehliches.
Am Samstag, dem 11. Juni, widerstand ich dem Konsumtrieb nur durch Verzehr von Weissen Mäusen, die, in einer gigantischen, am Eingang strategisch aufgestellten Schale,  den Besucher süsslich heranlockten.

Die Überspungshandlung mit den Mäusen half nur kurzzeitig. Im entzückenden Zuckerrausch wuchsen im gleichen Maße die Begehrlichkeit am Schönen und die Missbilligung des  Konsumismus. Denn auch vor der heimtückischen Selbsttäuschung – es handele sich ja um Bücher, nicht etwa um reduntantes Zeug, wie Schuhe,– muss der Bibliophile auf der Hut sein:
das Gedruckte und Gebundene schmeichelt eifrig dem Eigenbild vom intellektuellen Wesen,  und spottet hinterher mit staubigen, hüfthohen Stapeln des Ungelesenen.

Mit zähneknirschender Disziplin liess ich auch dieses  lehrreiche Kartenset im Laden liegen.

Sekundäres aus den Mediatheken

Zu Dostojewskij bietet der Bayerische Rundfunk ein kleines Referat und eine russische Produktion erzählt über sein Leben in einer opulenten Mini-Serie (deutsche Synchronfassung).

Und, falls das Sparschwein nocht nicht ganz leer ist, dieses Buch sowie auch dieses fand ich nach kurzer Netzrecherche zur Sekündärlitaratur in gedruckter Form.

Die Nabokovergüsse liegen vor.

 

 

The Man Booker 2014 Shortlist

Die Jury gab die Shortlist der Autoren für das diesjährige, sechsundvierzigste Man Booker
Prize, bekannt. Erstmalig wurde auf die gesamte Commonwealth erweitert, also, alle in englischer Sprache verfassten Bücher, ungeachtet der Herkunft des Autors, die in Großbritannien erschienen sind. Auch sind  Schriftsteller aus den Vereinigten Staaten zum ersten Mal dabei. Leider schaffte es die schöne Siri Hustvedt nicht auf die Shortlist – sehr bedauerlich.

Der Gewinner wird am 14. Oktober 2014 enthüllt. Bis dahin sind die Juroren mit dem Wiederlesen der sechs shortgelisteten Bücher beschäftigt – das sind, bis zum 14. Oktober, insgesamt 2284 Seiten. 

 

Hierzu ereilt mich die Idee, aus unserer Longlist (also die Bücher, die aus diversen Gründen – ob Schicksal, Trägheit oder mangelnder Ehrgeiz) die letzen Jahre alle samt vom Tisch fielen. Spontan fällt mir Walden und Oblomow ein.

Die letzten 100 Seiten

Während meiner Mühsal, rechtzeitig mit dem Buch fertig zu werden, muss ich stets Hürden und Hindernisse überwinden.

So auch heute. Inmitten Zweigs ekstatischen Äusserungen zu Sowjetrussland stolperte ich über ein Wort, dessen helles Läuten nicht nachlassen wollte und mich letztendlich zu Recherche zwang. Erfreulicherweise führte mich die Suche zu Zweigs Rezensionen, die  – gottlob – vollständig online zur Verfügung stehen.

Das Wort: oblomovsche

Für diejenigen, die noch etwas Neugierde und Zeit fürs Sekundäres übrig haben, hier findet man das komplette Werk.

Bild: © Walt Louderback

Sekundäres

Liebe Schnelleserinnen und Streberinnen, wer mit dem Gedanken spielt, die aktuelle Pflichtlektüre ein drittes Mal zu lesen, kann sich dieses 800-seitige Sachbuch als eine löbliche Alternative zu Gemüte führen – bis zu unserem Treffen ein wahres Querlesathon. Nieder mit dem oberflächlichen Wikispicken – ab in das fundierte Sekundäres.

Elias Canetti
SVEN HANUSCHEK